Sechs Ratschläge für Renovierer. (Rat für Schulveränderer)
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- Kategorie: Zu meiner Zeit (Kolumnen)
- Erstellt: Samstag, 20. Februar 2010 11:27
Gern will ich annehmen, dass Sie bei Ihrem Bohren,
Klopfen und Sägen große Befriedigung empfinden.
Es wäre jedoch ein Trugschluss anzunehmen,
dass ich und die anderen Nachbarn dieselben Empfindungen hegen.
(aus einem Musterbrief von Fertighaus.de)
Aus der Lehranstalt einen Lern-Lebens-Raum für Menschen machen: das wollen viele. Aber niemand von uns hat das gelernt. Gelernt haben wir, wenn's hochkommt, unseren Platz im real existierenden Schulbetrieb einzunehmen. Im Erneuern dieses Betriebes sind wir Heimwerker: Autodidakten und Amateure.
Deshalb sind schon viele hervorragende Kolleginnen und Kollegen beim Renovieren ihrer Anstalt von der Leiter gefallen. Eine Zusammenstellung von Unfallursachen, die ich zu meiner Zeit an mir selbst und bei anderen erlebt habe, kann wohl auch heute noch Hinweise für Reformierer liefern.
Erstens. Die Tatsache, dass wir — unter uns gesagt — tun und lassen können, was wir wollen, wenn wir erst mal die Klassentür hinter uns geschlossen haben, verschafft uns leicht die Grundstimmung einer gewissen Unabhängigkeit. Dass diese Stimmung unberechtigt ist, erfährt man, wenn man Law-and-order-Eltern durch Liberalität und liberale Eltern durch Law-and-order-Pädagogik aufgescheucht hat, der in der Leseecke nach Bazillen haschenden Medizinalrätin patzige Antworten gab und den Besuch des Feuerwehr-Hauptmanns für eine Folklore-Veranstaltung hielt.
Zuerst also müssen sich Renovierer klar machen, dass sie mit ihrer Leiter auf der Schulter nicht bedenkenlos durch die Flure schwenken können: Das Ding befindet sich in Kopfhöhe anderer Menschen.
Zweitens. Die meisten Köpfe gehören Kolleginnen und Kollegen. Beginnt da eine unverhofft, in ihrem Bereich alte Wände einzureißen, Nischen zu mauern und mit neuartigem Mörtel zu verputzen, müssen alle Nachbarinnen aufgeschreckt werden: Da ist eine, für die ist der Lebensraum nicht gut genug, worin wir anderen uns wohlfühlen.
In ungezählten Kollegien ist der Friede dahin, seit eine plötzlich auf die Leiter kletterte und mit schrillen Bekenntnisliedern den Quast zu schwingen begann. Deshalb muss, wer renovieren will, im Kollegium um Verständnis werben: Ich fühle mich in meinem alten Raum nicht mehr wohl. Ich möchte für mich das eine oder andere erneuern. Bitte geht mir gelegentlich zur Hand oder warnt mich, wenn ich mich auf meiner Leiter versteige.
Drittens. Die meisten Unfälle geschehen, wenn man auf Sprossen werkelt, ohne dass jemand die Leiter festhält. Wer renoviert, braucht Partner.
Viertens. Am besten wäre, das ganze Kollegium zu ähnlichem Arbeiten zu bewegen. Aber so etwas ist kaum möglich. Wer versucht, mit Hilfe des demokratischen Instrumentariums über Renovierungs-Konzepte entscheiden zu lassen, kompromisst sich entweder auf die tiefstmögliche Ebene der Übereinstimmung hinab, oder er führt Mehrheitsentscheidungen herbei. Das eine ist unsinnig. Das andere schafft eine Fraktion der Verlierer, und damit spaltet man das Kollegium und legt den Keim für künftigen Zoff. Verfährt er so mit edukativen Vorstellungen, sprengt er die ganze Schulgemeinde und kommt in die Lokalzeitung.
Fünftens. Eine Befragung im Lazarett der Reformer würde als eine Hauptunfallursache ergeben: Die Kolleginnen und Kollegen waren mit kleinen Schritten nicht zufrieden. Sie wollten zuviel auf einmal, nahmen mehrere Leiterstufen zugleich, stürzten ab und brachen sich im günstigsten Fall die Beine, manchmal aber auch das Genick.
Sechstens: Heimwerker arbeiten zwar auch, damit andere es schöner haben, vornehmlich aber, weil sie „bei ihrem Bohren, Klopfen und Sägen große Befriedigung empfinden“. (Wäre es anders, hätte der Schreiber dieser kleinen Nachdenkerei in seinem pädagogischen Leben ärgerlich wenig verändert.) Da es also um unsere eigene Hütte geht, sollten wir nicht so tun, als gehe es uns um eine Umgestaltung der ganzen Siedlung.
Dergleichen Hoffnungen sind sowieso verwegen. Zwar waren es stets Minderheiten, die Veränderungen auf Erden bewirkten. Das lernt man z.B. an Gorbatschow und Dr. Marina Marcovich, die als Erste Frühgeborene ohne Apparate durchbrachte, und an der Selbstbefreiung der USA 1775 bis 83. Aber sogar deren Erfolge halten sich in Grenzen. Bei Gorbatschow stürzte das ganze Gebäude ein, Marina Marcovich verlor ihren Job und wurde von missgünstigen Kollegen vor Gericht gezerrt, und die USA haben Sarah Palin.
Das sollte uns Bescheidenheit lehren.