Die meine Kollegen nicht sind (Lehrer-Laster)

Ich danke dir, Gott, 
dass ich nicht bin wie die andern Leute.
(Evangelium des Lukas, Kapitel 18, Vers 11)


Schlechte Gesellschaft sollte man meiden. Gewisse Kolleginnen und Kollegen möchte ich nicht für solche halten, sondern für Angehörige eines entfernt verwandten Berufsstandes, die wie ich mit Kindern und Schule zu tun haben:

die ihren Lehrstoff absondern und es den Schülern überlassen, was die daraus machen;

die sich kein einziges Mal um die kleine Anna kümmern, wenn die ein paar Wochen im Krankenhaus liegt;

die sich nichts dabei denken, wenn ihr Schüler Alex ein halbes Dutzend Mal hintereinander eine Fünf oder Sechs in einer „Arbeit“ hat;

die mit Kindern hart umspringen, um sie fürs Leben abzuhärten;

die Kinder „sitzenlassen”, ohne zuvor nachdrücklich versucht zu haben, sie und ihre Eltern für einen freiwilligen Rücktritt zu gewinnen;

die immer zuerst fragen: „Darf man das?` und „Wo steht das?”;

die ihre Kinder zu Versuchskaninchen machen, indem sie jede neue Mode willig an ihnen ausprobieren;

die sich nicht schämen, dem Herrn Direktor eine Klassenarbeit zur Genehmigung vorzulegen, deren Ergebnis von Fünfen und Sechsen nur so wimmelt;

die im Unterricht nur verwirklichen, was sich in der Jahresstatistik ausdrücken lässt;

die bei Kindern das Leiden „Legasthenie” diagnostizieren, ohne die Qualität von deren Leselernprozess in Klasse 1 zu kennen;

die als Schulleiterin oder Schulleiter 30 Schulanfänger und mehr in eine Klasse pferchen, ohne nachzudenken, wie sie das verhindern könnten;

die Kindern nur Gehorsam beibringen und sie nicht auch selbständiges Denken und Handeln lernen lassen;

die im Kollegium ihre Meinung als die pädagogisch einzig wahre verfechten;

die zu faul sind, Schülerhaushefte regelmäßig zu kontrollieren;

die sich erst Lehr-, Stunden-, Stoff-, Lektions- und Unterrichtsverteilungspläne ausdenken und dann in ihren Zwängen wehklagen;

die die Jahrgangsklasse für eine intelligente Organisationsidee halten, weil sie meinen, die sei bequemer;

die mehrere Wochen brauchen, um Klassenarbeitshefte zurückzugeben;

die unter Berufung auf ihren Lehrplan Schüler scheuchen;

die die Langsamen für die Dummen halten;

die Arzttermine und Kuraufenthalte gezielt in die Unterrichtszeit legen;

die als Verbandsfunktionäre die Unterschiede zwischen ihnen und den Funktionären einer Industriegewerkschaft nicht wahrhaben wollen;

die als Landtagsabgeordnete dem Kultusminister nicht einheizen, wenn er offenbare Kinderschädigung für pädagogisch vertretbar erklärt;

die Argumente als vernunftbestimmt ausgeben, obwohl sie der Ideologie entquollen.

Diese alle und noch ein paar weitere möchte ich für Angehörige eines fremden Berufsstandes halten, die nur zufällig wie ich mit Kindern und Schule zu tun haben.

Leider: Mehrere der Tatbestände aus diesem Katalog habe ich mir selber zuschulden kommen lassen. Ich sag' aber nicht, welche, weil das vielleicht ehemalige Schüler lesen, die mir dann hämische Mails schicken und sich über meine Vergesslichkeit verbreiten.

So lasset uns denn fein duldsam sein und in jeder Kollegin, jedem Kollegen ein Individuum sehen, das sich nach gehöriger Anstrengung auf unser Niveau emporarbeiten kann. Amen.