Aktuelle Treibsel aus dem vorigen Jahrhundert

Wir brauchen nicht Buch- und Lektionshalter, nicht Ertüftler und Mitmacher von Methoden, sondern Menschen! Wir brauchen Pestalozzileute!

Kollege Paul Georg Münch in: Freude ist alles, 1922


Erziehung und Unterricht beruhen auf Liebe und Persönlichkeit, und beide lassen sich nicht kommandieren. Und wenn sich auch sämtliche Bureaukraten auf den Kopf stellen: Liebe und Persönlichkeit blühen nur in der Freiheit.

Kollege Heinrich Scharrelmann in: Weg zur Kraft, 1910


Zu den beiden Lebensschätzen Freude und Freiheit, die zur Arbeitsschule gehören wie Tau und Sonne zur jungen Saat, haben wir uns selbst verhelfen müssen, die meisten Seminare von dazumal hatten dafür kaum etwas übrig.

Kollege Paul Georg Münch in: Freude ist alles!, 1922


So schaue denn auch im Schulleben jeder zunächst auf sich und sein Werk. Er frage sich, wie er zu
 seinen Schülern steht, was er ihnen bisher gewesen und was er ihnen sein kann.
Er mache aus seinem Amte eine persönliche Angelegenheit.

Kollege Hermann Weimer in: Der Weg zum Herzen des Schülers, 1907 


Wir haben eine Unterrichtsanstalt umgewandelt in eine Stätte frohen Jugendschaffens.

Kollegin Margarete Behrens in: Die Magdeburger Versuchsschule, 1924



Das war das Erste und Größte, was die Lehrer, die sich zusammenfanden, vollbrachten, dass sie den Schulmeister in sich erschlugen und selber Menschen wurden, dass sie den Besserwisser, den Fehleranstreicher, den ewig unzufriedenen Nörgler aus der Schule hinauswarfen und damit den Schüler zum Menschen erlösten.

Kollege Wilhelm Lamszus in: Der Weg der Hamburger Gemeinschaftsschule, 1924 


Ich habe ... unter dem Eindruck gestanden, dass ich mehr zurücktreten muss. ... Der altbewährte Unterrichtskünstler in mir soll abdanken. 

Kollege Johannes Gläser in: Die neuen Schulen in Deutschland, 1924


Seien wir ehrlich: Wenn man es den Pädagogen überlassen würde, den Kindern das Fahrradfahren beizubringen, gäbe es nicht viele Radfahrer. 

Kollege Célestin Freinet 1923 


Von dem Augenblick an, wo er die Eltern in die Schule holt und sie zur Mitarbeit heranzieht, hat er Freunde und Gehilfen gefunden. 

Kollege Wilhelm Lamszus über die Angst des Subalternbeamten in: Der Weg der Hamburger Gemeinschaftsschule, 1924


Erstens: Muss denn alles korrigiert sein? Zweitens: Was hat denn das bisher übliche peinliche und kleinliche Korrigieren gefruchtet? Unser ewiges Korrigieren und Nörgeln schüchtert bloß ein.

Kollege Paul Reiff in: Praktische Kunsterziehung, 1910



Hilf mir, es allein zu tun.

Maria Montessori in: Kinder sind anders ( Il segreto dell' infanzia),1938 


Die Kinder gingen nicht den Weg des Lehrers. Jedem sollte es gegeben sein, seine Linie zu entdecken. 

Kollege Wilhelm Lamszus in: Der Weg der Hamburger Gemeinschaftsschule, 1924 


Keine größere Sorge darf ... der Lehrer haben als die Emanzipation seiner Schüler zu immer freieren Arbeitsformen, zu immer selbständigerer geistiger Leistung. 

Kollege Hugo Gaudig in: Didaktische Präludien, 1909 


Eine Tätigkeit muss frei, selbständig und produktiv sein, wenn sie auf den Ehrentitel Arbeit Anspruch soll erheben können. 

Kollege Aloys Fischer in: Arbeiten und Lernen, 1912 


Es kommt alles darauf an, dass die Kinder selbständig sinnen und schaffen. 

Kollege Richard Seyfert in:. Lehre vom Unterricht der Volksschule, 1921 


Selbstbeschäftigung ist Ziel jedes normalen Kindes.

Handwörterbuch des Volksschulwesens, 1920


Alle didaktische Virtuosität kann doch nur das eine Ziel haben, tunlichst bald sich überflüssig zu machen. 

Kollege Hugo Gaudig in: Didaktische Ketzereien, 1904 


Um jedes Kind seiner Eigenart entsprechend allseitig fördern zu können, wird im Unterrichte unserer Grundschulklassen großer Wert auf selbständige Erarbeitung des Stoffes ... gelegt. 

Bekanntmachung der Regierung von Anhalt vom 30.10.1920 


Im gesamten Unterricht der Grundschule ist der Grundsatz zur Durchführung zu bringen, dass nicht Wissensstoffe und Fertigkeiten bloß äußerlich angeeignet, sondern möglichst alles, was die Kinder lernen, von ihnen innerlich erlebt und selbsttätig erworben wird. 

Preußens „Richtlinien zur Aufstellung von Lehrplänen für die Grundschule, 1921 


Die ganze Schulreform richtet sich darauf, die Initiative im Kinde zum Ausgangspunkt aller pädagogischen Erwägungen zu machen, und darauf, auch den Lehrer von seinen Autoritäten zu befreien und bei ihm dieselbe Initiative und Freude an der Selbständigkeit zu wecken.

Kollege Fritz Gansberg in: Demokratische Pädagogik, 1911


Sich um Fachgrenzen nicht kümmern und statt der Systematik des Stoffes die Zusammenhänge des Lebens erfassen. 

Kollege Fritz Aevermann in: Anarchie oder soziale Bindung, 1924 


Wir kannten keinen Stundenplan, oder wenigstens keinen, der nicht morgen durch das Leben über den Haufen geworfen wurde. Wir kannten keinen Stoff- und Lehrplan, an den wir uns ängstlich klammerten.

Kollege Wilhelm Lamszus in: Der Weg der Hamburger Gemeinschaftsschule, 1924



Verbindliche Stoffpläne werden nicht aufgestellt.
An Stelle der Lehrpläne tritt der Arbeitsplan der Lebens- und Arbeitsgemeinschaften.
Stundenpläne fallen fort. 

Preußischer Erlass vom 28.3.1923, U III A 466.1 für die Berliner Lebensgemeinschaftsschulen


Die Selbständigkeit des Lehrers soll nicht weiter, als es durchaus unerlässlich ist, eingeengt werden; es soll ihr vielmehr für die Auffindung weiteren kindgemäßen Stoffes und für die Erprobung verschiedener, auch abweichender Arbeitsweisen der weiteste Spielraum gelassen werden.

Aus: Vorbemerkungen zum vorläufigen Lehrplan für die Grundschule in Württemberg vom 25.11.1920 



Individualisieren! Wie lieblich zwitschert dieses Wort seit Jahrhunderten in pädagogischen Werken und Schwärtchen ... Ein ganzer Hexensabbath von Phrasen war um das Wort her – aber in der Praxis blieb alles beim alten. 

Kollege Paul Georg Münch in: Freude ist alles, 1922


Wenn man bisher von individueller Entwicklung in der Schule sprach, stellte man sich immer einen Lehrer vor, der, anstatt eine ganze Klasse zu unterrichten, jedem einzelnen Kind sich widmete. Wenn das geschähe, würde das arme Kind ja noch geknechteter werden, als es in der früheren Schule war.

Maria Montessori in: ll metodo della pedagogia scientifica ,1909


In der Werkstatt, im Laboratorium, in der Schulküche, im Schulgarten, im Zeichensaal, im Musikzimmer findet jedes Kind die Arbeit, die es bewältigen kann. ...Hier ist ‚Individualisieren’ des Unterrichts, sonst das verlogenste Schlagwort in unserem Massenohrenbetrieb, keine Sorge des Lehrers mehr. Hier stellt sie sich von selbst ein.

Kollege Georg Kerschensteiner in: Grundfragen der Schulorganisation, 1907



Es ist der Gipfel pädagogischen Unsinns, wenn man immer noch von angehenden Lehrern so genannte ausgearbeitete Lehrproben ... verlangt.

Kollege Fritz Karsen in: Die Aufbauschule in Neukölln, 1924 


Eine Quelle der Lehrerfreude bei der Präparation, die bisher vielen Lehrern reichlich floss, wird bei der Schularbeit, wie sie mir vorschwebt, versiechen: die Freude am kunstvollen Aufbau der Lektion.

Kollege Hugo Gaudig in: Lehrerfreuden neuen Stils, 1912



Das Unglück unseres Unterrichtens ist doch immer dies, dass ... wir uns so schwer zur frischfröhlichen Improvisation aufschwingen. .... Wir müssen uns täglich üben, die Gelegenheiten beim Schopfe zu fassen.

Kollege Fritz Gansberg in: Der freie Aufsatz, 1914 


Jede freie Stofffolge erschien der Schule als dilettantisch oder gar als unpädagogisch. So sind Stoffauswahl und Methode heute noch die beiden Angelpunkte aller Staatspädagogik.

Kollege Heinrich Scharrelmann in: Erlebte Pädagogik, 1912



Es gibt Lehrer und Lehrervorgesetzte, die gleichen Wetterfahnen. ... Von Norden bläst die Kunsterziehung ihr neues Evangelium. Ritsch, ratsch; die pädagogische Wetterfahne hat sich auf Norden eingestellt. Von Süden dringt die experimentelle Pädagogik vor. Ein eleganter Schwung, und sie geben sich als begeisterte experimentelle Pädagogen zu erkennen. Von Westen aus bricht sich die Sozialpädagogik Bahn. Ein kurzes Schlenkern und Schwanken, und die Richtung wird mit kühner Drehung auf die Sozialpädagogik genommen.

Aus: Roland, 1914