Eines Volksschullehrers Lebenslauf

Lehrer geworden bin ich auf dem zweiten Bildungsweg, und immer noch gefällt mir der Gedanke, dass ich auch als Textilarbeiter, Brauereiarbeiter und Erzieher-Praktikant nicht nur mein Auskommen hatte, sondern gern zur Arbeit ging. Zuerst war ich sieben Jahre lang Lehrer in den Wuppertaler Volksschulen Hügelstraße und Gewerbeschulstraße. Danach wollte ich ins Ausland und wäre in Chile gelandet, hätte sich nicht, zu unserem Glück, meine Frau gesträubt. Ersatzweise gingen wir aufs Land, und ich wurde „Erster Lehrer“ der zweiklassigen Dorfschule zu Tintrup im Lippischen. Wir hatten einen Riesengarten, Bienen, eine phantastische Dienstwohnung und die Schule im Haus. Da habe ich gelernt, dass es in der Schule nichts Wichtigeres gibt, als die Beziehungen ihrer Menschen untereinander, dass die viel zitierte Differenzierung überzeugend nur zu haben ist, wenn die Kinder selbst sie leisten, indem sie, selbst tätig, jedes auf seine Weise das Lernen lernen, und dass die Jahrgangsklasse nur Leute für attraktiv und vernünftig halten, die etwas anderes nicht kennen. Als unsere kleinen Schulen im Übermut plattgemacht wurden, war ich zunächst ein Jahr lang Lehrer einer neunten Klasse der Hauptschule Blomberg in Lippe und danach zehn Jahre lang Rektor der städtischen Grundschule Marper Schulweg in Wuppertal. Hier lernte ich das stolze Vergnügen kennen, das uns erfüllt, wenn wir einfach tun, was pädagogisch vernünftig ist. (Im Verfolgungsfalle findet sich später fast immer eine Begründung; man muss nur die Vorschriften kennen.)
Zum Schluss war ich vier Jahre lang Schulrat und acht Jahre lang Schulamtsdirektor im Ennepe-Ruhr-Kreis. Hier habe ich gelernt, dass Kolleginnen und Kollegen in aller Regel weder Aufpasser noch Kritiker brauchen, sondern Helfer und Mutmacher.
Das alles habe ich lernen können, weil meine Frau gewährleistete, dass ich meinem Hobby Schule frönen konnte und die beiden Töchter dennoch gerieten.
Heute leben wir an der Wesermündung in Bremerhaven. Den Rat von Kollegen, auch mal ruhig zu sitzen und aufs Wachsen des Grases zu horchen, habe ich versucht zu befolgen.
Ich kann’s nicht.